Ich liege im Bett, leise rascheln beim Umblättern die Buchseiten meiner Urlaubslektüre: Orhan Pamuk – Das Museum der Unschuld. ‘Wie passend’, dachte ich mir, als ich es beim Packen für die Reise hierher in den Rucksack gleiten lies. Ich blicke auf, horche.
Lasse die Gedanken schweifen.
Die einfachen, braunen Holzfenster sind geschlossen. Durch das Lüftungsloch im Fenster ganz rechts dringt das nächtliche Leben zu mir herauf und hinein. Die kleinen Jungs unten treten einen Ball gegen die Wand. Plok, Plok, Plok.
Nießen. Husten. Räuspern. Gnaddelde Kinder.
Quietschend rattert ein Motorrad durch die Straße. Jemand tritt gegen ein Stück Plastik, das klappernd über den Boden rollt. Von links ruft jemand etwas. Von der anderen Seite eine Antwort darauf.
Etwas Klapperndes wird über den Boden getreten. Ausrufe mehrerer Kinder. Diskutierende Männer.
In der Ferne eine Sirene.
Ein Auto mit laut wummernder Musik fährt hupend durch die Straße.
Aufbrandendes Stimmengewirr. Lachen. Zischelgeräusche. ‘Wird da ein Hund verjagt?’
Ein Hund knurrt, bellt. Ein anderer jault, läuft davon.
Ein Ausruf. Ein nächster. Wildes Diskutieren.
Da ich nichts verstehe, lass ich mich vom Stimmengewirr davon tragen. Ich überlege was die jungen Männer sich zu erzählen haben. Wie sehen sie wohl aus? Warum stehen sie untern auf der Straße? … halb eins?
Da wo ich herkomme, wäre dies nicht möglich. Ein aufmerksamer Bürger im weißen Unterhemd hätte längst am offenen Fenster gestanden und laut “RUHE DA UNTEN!” gebrüllt und dass er jetzt die Polizei rufe. Vielleicht hätte er auch noch erbost den Zeigefinger erhoben. Dann hätte er sicher das Fenster mit einem Rums wieder geschlossen, die Gardine entschlossen zugezogen und heimlich dahinter hervorgelugt, um zu sehen, ob sich die Menschenansammlung verziehen möge.
Die Gruppe unter meinen Fenster zieht weiter, löst sich auf und geht in die jeweiligen Häuser. Ein streunender Hund raschelt an einer Mülltüte.
Der Stundenzeiger meiner Uhr bewegt sich weiter auf Eins. Ich klappe das Buch zu. Streiche über den Buchdeckel und lege es auf den Nachtschrank. Ich lösche das Licht und lausche in die Nacht.
Jemand läuft eiligen Schrittes durch die Gasse. Stille. Dann zieht läuft jemand langsam, etwas hinter sich her schleifend entlang.
Ein schwerer Motor. Anfahren. Stoppen. Rascheln. Klirren. Ausrufe. Fiepen. Hupen. Motorengrummeln. Anfahren. Stoppen. Ausrufe. Rascheln. Klirren. Ausrufe.
Ich wische mir den Schlaf aus den Augen, schlurfe zum Fenster. Ich bin doch nur kurz eingenickt. Ich blicke auf die Uhr. Es ist kurz vor sieben. Die Geräusche der nacht haben mich wohl in den Schlaf gewogen. Jetzt weckt mich die Frühschicht der Müllabfuhr.
Der neue Tag scheint durch die braunen Vorhänge. Ein Mann schiebt einen Wagen vor sich her und bietet laut rufend seine Waren feil.
Als ich die Gardine beiseite schiebe, sehe ich, dass die Frau von gegenüber bereits die Wäsche quer über die Straße zum Trocknengespannt hat.
Ich war wohl kurz eingeschlafen. Und das in Istanbul, in einer Stadt die niemals schläft.
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