Wandern auf Cres.
Karge Landschaft – Traumhaft schön.
Ich komme vom Ticketschalter zurück, stapfe die gewundene Straße wieder hinauf, auf der sich die Autos und Camper aneinander reihen. Ich halte inne und schaue aufs Meer. Die Fähre hat bereits am gegenüberliegenden Ufer abgelegt und gleitet langsam über Blau. Ich laufe weiter und nach wenigen Metern habt ich schließlich auch unseren T3 namens Hilde erreicht. Drinnen sitzen Torsten und Ferkel – unser kleiner flauschiger, rosa Reisebegleiter –, die Musik ist laut aufgedreht und beide trällern fröhlich mit. Als ich frage, was das denn für ein Song ist, bekomme ich als Antwort »Katzenpissepistole von Funny van Dannen.« Ahja, das verspricht einiges! Ich steige ein, drücke die Repeat-Taste des CD-Laufwerkes und schon erklingt erneut C,F,G,C,F,G in F-Dur auf der Gitarre und Funny beginnt erneut zu singen:
»Heute bin ich unsichtbar, heute hört man mich nicht. […]«
Wir nehmen die Fähre und trällern lustige Lieder …
Das Schiff legt an und die Autokolonne setzt sich langsam in Bewegung. Die Melodie hat sich in meinem Ohr festgesetzt, Torsten startet den Motor, ich lasse die Bustür ins Schloss fallen und beschwingt rollen wir auf die Fähre.
»[…] ich werde mir den Weg zu den richtigen Leuten bahnen.[…]«
[Funny van Dannen, Katzenpissepistole]
Die Überfahrt dauert ca. eine halbe Stunde. Wir sitzen auf dem Sonnendeck. Neben uns einige Silverheads und ein paar Familien mit kleinen Kinder. Im Kopf summe ich noch immer den eben gehörten Song.
»[…] dann schlag ich zu dann schieße ich mit meiner Katzenpissepistole!
Das ist selbstverständlich kindisch, aber es macht Spaß,
ich sage ich bin Künstler und Künstler dürfen das.«
Und während ich im Kopf den Song vor mich hin trällere schauen wir gespannt auf die steilen Klippen. Cres – eine der am dünn besiedelten Inseln Kroatiens – lag vor uns. Die Insel ist felsig, karg und schroff. Während die meisten Menschen in Cres-Stadt leben soll die Gegend um den Ort Beli von Ökologie und Umweltschutz geprägt sein. Auch Gänsegeier leben und nisten hier. Leider, so lesen wir, nimmt die Geier-Population immer weiter ab. Einst waren sie dafür zuständig, das Aas der verendeten Schafe zu entsorgen. Somit wurde das Infektionsrisiko für den Rest der Herde minimiert. Doch von den ehemals 100.000 Tieren leben nur noch 15.000 auf der Insel. Die Geier finden immer weniger Nahrung und müssen mittlerweile sehr weite Flugwege in Kauf nehmen. Vielleicht haben wir Glück und bekommen während unseres Aufenthaltes auch welche zu Gesicht.
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Puristisches Camping inmitten der Natur.
Unser Reiseführer empfiehlt uns den kleinen, spartanischen Naturcampingplatz Brajdi in Beli. Wir fahren von der Fähre runter, folgen zunächst der der Hauptstraße Richtung Süden und biegen nach einigen Kilometern links auf eine kleine Straße Richtung Beli ab. Funny trällert sein saugefährliches Lied und der asphaltierte Weg vor uns schlängelt sich zwischen Laubbäumen entlang. Nach jeder Biegung könnte uns ein Auto entgegen kommen. Schließlich erreichen wir den kleinen Ort. Aufgrund der Übersichtlichkeit – es gibt nur zwei, drei Straßen hier – ist der Weg zum Zeltplatz auch schnell gefunden. Wir schlucken, als wir die Zahl der Steigung auf dem Straßenschild lesen. Und während ich mir die Augen zuhalte, wagt sich Torsten den steilen Pfad hinunter.
»und dann fragst du mich, was schaust du am liebsten an
und ich sage Naturfilme weil man da sehen kann
wohin die Vögel ziehn, wenn es kalt wird in Berlin«
[Funny van Dannen, Naturfilme]
Der Campingführer hatte nicht zu viel versprochen: auf dem Zeltplatz zwischen Olivenbäumen Felsen stehen einige Wohnwagen, mittlerweile mit dem Boden hier verwachsen, umfriedet von kleinen Gartenzäune. Die Sanitäranlagen sind puristisch. Es ist wenig los – ein Vorteil, wenn man in der Nebensaison unterwegs ist. Vor dem Platz liegt ein kleiner Hafen und daneben zwei, drei kleine Imbiss-Buden. Ein paar alt Eingesessene sitzen gelangweilt im Schatten und beäugen uns nur kurz, um sich sofort wieder ihrem Bier zuzuwenden. Und da kommt auch schon die rüstige Platzbetreiberin mit ihrem Jeep die Straße hinunter gesaust. Sie empfängt uns mit feinstem Englisch. Sie zeigt uns den Platz und verrät uns, dass in den Felsen, die den Platz hier umgeben, Schafe die Kräuter zwischen den Steinen abfressen. Ab und an purzeln daher ein paar Steine den Berghang hinab. Nachts sollen wir nichts Essbares draußen stehen lassen, weil sich sonst die Wollknäuel darüber her machen können. Zwischen zwei Olivenbäumen finden schließlich wir einen schönen Stellplatz. Neben uns verirrten sich noch ein Engländer, ein paar deutsche Camper, ein Pärchen im Zelt und eine 5-köpfige niederländische Familie in einem kleinen VW-Bus hierher.
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Wir schnappen uns unser Badezeug und gehen zum Steinstrand, suchen ein paar schöne Steine und entdecken am Ende einen schmalen Pfad. Diesem folgen wir und laufen zwischen duftenden Kräutern am Berghang entlang und gelangen so zu einem weiteren, sehr idyllischen Strand. Während sich das Licht langsam ins abendliche Blau einfärbt, hüpfen wir ins kühle, erfrischende Nass. Ferkel blieb lieber am Ufer sitzen. Wasser ist nicht so seins.
Zurück im Bus brutzeln wir uns eine Kleinigkeit und freuen uns, dass wir geschützt in Hilde sitzen, uns das Essen schmecken lassen, während von außen große Regentropfen aufs Dach prasseln, und der Donner böse grummelt.
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Neuer Tag und das Abenteuer wartet.
Die Sonne lugt bereits zum Fenster herein, während ich langsam die Augen öffne. Für heute haben wir eine kleine Wanderung geplant: eine Eco-Kunst-Wanderung und mit etwas Glück bekäme man auch die Geier zu Gesicht. Das versprach zumindest der Reiseführer. Na dann mal los. Zunächst quälen wir unsere Hilde den steilen Hang hinauf ins Dorf und stellen sie auf den kleinen Parkplatz. Nach kurzem Suchen finden wir schließlich im Dorfkern den Ausgangspunkt für die Wanderung. Auf einem Holzschild sind verschiedene Routen aufgemalt. Eine widmet sich dem Orchideenreichtum, eine andere leitet die Wanderer*innen in eine tiefe Schlucht zum Meer. Wir entscheiden uns aber für eine gut 2,5 stündige Kultur-Rundwanderung. Ferkel ist aufgeregt und macht es sich in der Rucksack-Seitentasche gemütlich.
»Ich wandere, du wanderst,
er wandert, sie wandert,
wir wandern, ihr wandert,
sie wandern ein und aus.«
[Funny van Dannen, Wandern]
Der Himmel hat sich mittlerweile zugezogen und die Wolken hangen tief. Ich mache noch schnell ein Handyfoto von unserer Route, falls wir uns verlaufen sollten. Dies soll sich schon bald als völlig unbegründet heraus stellen, aber man weiß ja nie.
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Gleich zu Beginn laufen wir über eine alte römische Brücke, queren eine kleine Landstraße und wandern immer weiter den Berg hinauf. Wir kommen an einer Höhle vorbei und beobachten Fledermäuse beim hin und her Flattern. Kurz darauf bietet sich ein schöner Blick auf Beli. Und während wir kurz verschnaufen und so auf Ort samt Adria im Hintergrund blicken, ich noch ein Foto schieße, fällt der erste Tropfen. Ich verstaue die Kamera und hole mein Regencape heraus.
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»Regen fällt auf die Welt, Regen der fällt und fällt
Er fällt auf dich und mich, aus allen Wolken
Regen, Regen, auf allen Wegen,
Regen, Regen, wir haben nichts dagegen
Regen macht uns Spaß, er macht uns alle naß«
[Funny van Dannen, Das Regenlied]
Und schon beginnt der Regen und soll bis zum Ende unserer Wanderung anhalten. Doch wir lassen uns die Laune nicht vermiesen. Wie auch – finden wir überall auf unserer Wanderung weiß-rote, kreisrunden Weg-Markierungen, die durch lustigen Smiley-Zeichnungen ergänzt wurden. Einer lacht, ein Anderer grinst, wieder ein anderer schaut grimmig und der Nächste hatte eine Fliege um. So folgen wir munter den rot-weißen Gesichtern, indes der Regen von unseren Nasenspitzen tropft. Nur Ferkel hat genug vom Wetter und zieht sich in eine trockene Ecke in der Regenjacke zurück. Nur manchmal lugt er hinaus, wenn es etwas Neues zu entdecken gibt, wie die wunderschönen Kunst- und Naturstationen. Unter dem Blätterdach käuen zwei Schafe wieder. Gelegentlich begegnen wir Baumwesen, die uns anstarren.
Der Regen macht uns nichts aus. Wir sind eins mit der Natur, verbunden durch den Regen, der in Fäden an unseren Regenjacken hinunter läuft und von dort auf den Boden tropft. Außer uns hat sich niemand auf den verregneten Pfad begeben. Und während wir einen Fuß vor den anderen setzen, genießen wir es, im Hier und Jetzt zu sein.
Da, schon wieder ein Gesicht. Dieses mal streckt es uns die Zunge heraus.
Wir gelangen zu einem Steinlabyrinth. Wir stehen unter dem Blätterdach der Bäume und lassen das Kunstwerk auf uns wirken. Von den Blättern rinnt ein Tropfen herab und landet in einer kleinen Pfütze vor meinen Füßen und zieht hier die Form des Labyrinth nach.
»Regen, Regen, auf allen Wegen.
Regen, Regen, wir haben nichts dagegen
Regen macht uns Spaß, er macht uns alle naß«
[Funny van Dannen, Das Regenlied]
Wenngleich sich die Geier die ganze Zeit nicht sehen lassen, begegnen wir auf den Wanderwegen und ausgetretenen Schafwegen immer wieder den scheuen Zottelwesen, die bläkend vor uns weg laufen. Und immer ist da ein neuer Smiley, das uns den richtigen Weg weist.
Langsam klart der Himmel auf, die letzten Tropfen lösen sich aus dem Himmelszelt und von weitem können wir bereits Beli erahnen.
Zurück am Bus haben sich die Wolken endgültig verzogen und geben den Blick frei auf die Sonne. Wir streifen unsere Regenjacken ab, setzen Wasser auf den Herd auf und überlegen welches Abenteuer wir als nächstes angehen werden. Auch das Schwein ist wieder aufgetaucht und plappert munter vor sich hin.
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Auf zu neuen Ufern.
»Heute ist Gestern und Gestern ist Heute
die Zeit fällt vom Himmel ins Bett
Sie möchte träumen und alles versäumen
das Abendrot wird violett
Wellen aus Seide verwelken im Mondschein
sie sinken zu Boden und dann
versuchen deine Gedanken zu fliehen
und fangen von vorne an«
[Funny van Dannen, Prinzessin der Freiheit]
Wir wärmen uns die Hände an den Tassen mit dem frisch aufgebrühtem Tee und legen uns auf unser nächstes Reiseziel fest. Die Wahl fällt auf die benachbarte Insel Lošinj. Früher waren Cres und Lošinj eins, bis die Römer eine Landenge durchstachen und einen kleinen Kanal anlegten. Während der Norden Cres sehr karg ist, beherrschen auf der südlich gelegenen Insel Pinienwälder das Bild – ein idealer Ausgangspunkt für eine mediterrane Radpartie.
Aber das ist wiederum eine andere andere Geschichte.
»Der Wind ist nirgendwo zu Hause
er kennt die ganze Erde und das Meer«
[Funny van Dannen, Der Wind]
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Ich bin gespannt!
Nein, ihr seid in Beli gewesen!!!
Das ist ja der Hammer und wie schön zu lesen, dass der Campingplatz immer noch so minimalistisch ist und die gleiche Chefin scheint es auch noch zu sein.
Dieser Ort ist ein ganz besonderer Ort bei mir, dieser Ort hat mich geprägt und ich habe so unendlich viele Erinnerungen an Beli.
Die ganze Geschichte zu erzählen wäre jetzt zu lange … aber ich muss da unbedingt mal wieder hin! Ich war bis jetzt 2 mal da, aber das ist locker 17, 18 oder sogar 19 Jahre her.
Liebe Grüße
Marc
Echt, das ist ja krasse. Es freut mich, dass der Artikel solche Erinnerungen bei dir hervor ruft. Wenn du magst, kannst du mir gern bei Gelegenheit mal mehr berichten. Und wow, dass dein letztes Mal Beli schon sooooo lange zurück liegt … und trotzdem noch so vieles beim Alten ist.
Liebe Grüße Kirsten
Hallo Kirsten, mir hat es richtig Spaß gemacht deinen Artikel zu lesen, er ist so schön geschrieben. Auch die Liedzitate zwischendrin – sehr passend! Da bekomme ich gleich Lust nach Kroatien zu fahren und wandern zu gehen 🙂
Liebe Caro,
vielen Dank für deinen Kommentar. Es freut mich sehr, dass dir der Artikel so sehr gefällt. Schick mir mal ein Foto, wenn du wandern warst! 😉
Was sind deine nächsten Urlaubs- und Ausflugspläne?
Viele Grüße Kirsten